LIEBIEG, Johann
* 7. 6. 1802, Braunau, Tschechische Republik
† 16. 6. 1870, Smiritz, Tschechische Republik
Unternehmer (Textil)
L. absolvierte in Braunau/Broumov eine Lehre als Tuchmacher und Tuchscherer. 1818 ging er als Webergeselle nach Reichenberg/Liberec und siedelte sich hier an. 1825 gründete er mit seinem Bruder Franz die Firma „Gebrüder L.“, die sich zuerst mit dem Schnittwarengeschäft befasste, aber bereits im Jahr darauf mit der eigenen Produktion von Tuchwaren begann. 1825 und nochmals 1827 bereiste er England und Frankreich, von wo er Stoffmuster mitbrachte, die er in der eigenen Firma nachwebte.
1828 kaufte er von der Firma „Ballabene“ die ehemalige Clam-Gallas-Manufaktur in Reichenberg/Liberec, die er für die Herstellung von Tuchstoffen in großen Mengen erweiterte und modernisierte. Später nahm er auch die Produktion spezieller englischer Stoffe, wie Merinos, Lasting und Tibet auf. Nach der Aufstellung einer Dampfmaschine und der Einführung der Gasbeleuchtung zählte die L.sche Fabrik seit den 1830er Jahren zu den bedeutendsten Textilunternehmen Europas.
Nach dem Austritt des Bruders Franz aus der Firma, wandelte L. das Unternehmen 1833 in die „Johann L. & Co.“ um, das er seit 1841 als Alleinbesitzer leitete. Im selben Jahr eröffnete er für den Export in Wien einen Großhandel und ein eigenes Bankhaus. 1843 brachte er als erster in Mitteleuropa englische Mohairsorten und Orleans auf den Markt. Betriebserweiterungen seit den 1840er Jahren umfassten u.a. eine neue mechanische Weberei (1845), eine Baumwollwäscherei in Svárov, die zu den größten und modernsten in Mitteleuropa gehörte, eine kleinere Baumwollwäscherei im nahen Haratice (1851) und eine große Baumwollfabrik in Železný Brod (1861/65). Seine Unternehmenstätigkeit erweiterte er auch in andere Richtungen. Gemeinsam mit Vojtěch →Lanna und den Gebrüdern Klein beteiligte er sich 1856/59 am Bau der Eisenbahn Reichenberg/Liberec - Pardubitz/Pardubice, die seinem Unternehmen große Vorteile brachte. Sein unternehmerisches Interesse ging weit über die Textilindustrie hinaus: in Radčice bei Železný Brod förderte er Schiefer, in Smrčí bei Železný Brod betrieb er eine Kalkbrennerei, im Böhmerwald und in Siebenbürgen Glasfabriken. Auf seinem Großgrundbesitz in Smiritz/Smiřice ließ er ein Sägewerk, eine Bierbrauerei und eine Zuckerfabrik errichten.
L. war erster Präsident der Handels- und Gewerbekammer in Reichenberg/Liberec (1851-1856). 1866 übergab er das Unternehmen seinen Söhnen Johann jun., Heinrich und Theodor und zog sich zurück. Sein Enkel Theodor L. jun. wurde einer der Pioniere des Automobilismus in Böhmen.