GERSTNER, Franz Josef Ritter von
* 23. 2. 1756, Komotau, Tschechische Republik
† 25. 7. 1832, Mladějov bei Jičín , Tschechische Republik
Astronom, Geodät, Mathematiker, Technologe
Als Sohn eines Riemers besuchte G. das Jesuitengymnasium in Komotau/Chomutov, anschließend studierte er von 1772 bis 1777 an der Prager Universität bei Joseph →Stepling, Jan Tesánek und Vydra Medizin, Mathematik und Astronomie. Seit 1779 arbeitete er als Geodät an der Robot-Abolitions-Hofkommission, ging aber 1781 an die Wiener Universität, um dort Medizin und Astronomie zu studieren. Die gleichzeitige Mitarbeit in der Wiener Sternwarte veranlasste ihn, sich verstärkt dem Astronomiestudium zu widmen. 1784 erhielt G. eine Stelle als Oberassistent am Prager Klementiner Observatorium. In dieser Funktion publizierte er Arbeiten, die unter Fachkollegen in ganz Europa Aufmerksamkeit erregten. Sie galten den Berechnungen, die die Angaben über die geographische Länge etlicher europäischer Städte korrigierten und stellten eine neue Methode vor, mit der die geographische Länge aufgrund der Beobachtung der Sonnenfinsternis bestimmt werden konnte. Trotzdem nahm er eine Stelle als Oberingenieur der Grundsteuerregulierungskommission an.
Nach dem Tod seines Lehrers Jan Tesánek berief ihn die Prager Universität 1788 als Professor für Höhere Mathematik. Seitdem widmete sich G. vor allem der pädagogischen Tätigkeit und den Reformen des Hochschulwesens. 1795 wurde er Mitglied der Studienhofkommission in Wien. Hier engagierte er sich vor allem für einen Umbau des österreichischen Ingenieurschulwesens entsprechend dem Vorbild der Pariser École Polytechnique zu einem technischen Hochschulwesen. Nachdem die Wiener Zentralstellen seine Ideen nicht unterstützten, ergriffen die böhmischen Landstände die Initiative und gründeten im November 1806 in Prag/Praha ein Polytechnisches Institut. G. als Mitbegründer unterrichtete als Professor für Mechanik und Hydraulik und blieb ein Vierteljahrhundert dessen Direktor. Bereits 1804 hatte ihn die Universität zum Direktor für Mathematisch-Physikalische Studien ernannt.
Seine Vorlesungen zur Mechanik erschienen 1831/34 als Handbuch der Mechanik in drei Bänden. In seinen frühen Arbeiten befasst sich G. u.a. mit der Baumechanik (1789), mit der Einwirkung der Reibung auf die Effektivität von Maschinen (1790), mit der Theorie der Wasserkraft (1795). Er nahm aber auch zu aktuellen praktischen technischen Problemen Stellung. Als er 1807 um ein Gutachten des geplanten Moldau-Donau-Kanals, der den Böhmerwald durchqueren sollte, gebeten wurde, verwarf er diese Idee und plädierte für eine Verbindung von Budweis/České Budějovice mit Linz durch eine Pferdeeisenbahn, die schließlich sein Sohn Franz Anton →G. ab 1825 begann.
1811 wurde er Direktor für Wasserbauten in Böhmen, zuständig für den Bau und die Kontrolle von Brücken. 1821 erkrankte er an Tuberkulose. Das war für ihn Anlass sich von vielen Funktionen zurückzuziehen: 1822 vom Lehrstuhl für Höhere Mathematik an der Universität, 1828 vom Direktorenposten für Wasserbauten sowie 1831 vom Lehrstuhl für Mechanik am Polytechnischen Institut. 1832 pensioniert, starb G. bereits im Juli dieses Jahres.